Jüdisches Leben in Bielefeld – oder: Was hat Dr. Sommer mit dem Helmholtz-Gymnasium zu tun?

1. November 2022 | Angela Barner

Unter dieser Fragestellung fanden am Mittwoch, den 22.06. und Donnerstag, den 23.06.2022 im Helmholtz-Gymnasium zwei Projekttage statt.

Denn kaum jemand weiß, dass Martin Goldstein, der unter dem Pseudonym Dr. Sommer von 1969 bis 1984 in der Zeitschrift Bravo jugendlichen Leserinnen und Lesern Fragen rund um das Thema Liebe und Sexualität beantwortete, bis 1942 Helmhöltzer war, dann aber aufgrund seiner jüdischen Herkunft die Schule verlassen musste und seiner Deportation nur entkommen konnte, weil er sich im Teutoburger Wald längere Zeit versteckt hielt.

Seine Biografin Marion Meier („Im Teuto versteckt und überlebt; Dr. Sommers Bielefelder Jahre als Martin Goldstein 1927-1947“) wandte sich an das HG, um ein gemeinsames Projekt zu Martin Goldstein anzustoßen. Schnell fanden Schule und Autorin zusammen und die Idee eines gemeinsamen Projektes war geboren. Ein erstes Treffen führte zu einem Ideenaustausch, aus Plänen wurden Taten, unterstützt von Christiane Wauschkuhn von der Stolperstein-Initiative, eine Organisation, welche seit 2005 Steine gegen das Vergessen legt.

Die Projekttage wurden dann federführend von der SV, zusammen mit David Schollmeier, Emilia Donschen und vielen anderen, gemäß der unterschiedlichen Jahrgänge inhaltlich altersgemäß vorbereitet. Eine große Aktion!

Für alle Klassen/Kurse gab es am Mittwoch und am Donnerstag in der ersten Stunde Vorträge von den beiden Fachfrauen Marion Meier und Christiane Wauschkuhn, welche aus der Aula in die Klassenräume übertragen wurden.

Danach folgten die entsprechenden Projektphasen der Jahrgangsstufen:

In JG 5 und 6 gab es die Vorgabe: Kreatives Schreiben von Kriminalgeschichten und die Erstellung eines Deckblatts zum „Kriminalfall“ des gestohlenen Stolpersteins. In jeder Klasse wurden Geschichten geschrieben und im Schulgebäude in Fluren lesbar angebracht. Einige schrieben auch Stolpertexte auf Tapetenrollen auf dem Schulhof.

In JG 7 stand eine Stolperstein-Rallye durch Bielefeld auf vier unterschiedlichen Routen im Mittelpunkt. Die Dokumentation und Aufbereitung zu den besuchten Stolpersteinen auf Stellwänden im Foyer für jede Klasse bzw. Route war das Ziel.

Der JG 8 erstellte Podcasts zu ausgesuchten Textstellen der Goldstein/Dr.Sommer-Biografie in Form einer kreativen und gestalterischen Ausarbeitung und der Aufnahme mittels Schul-iPads, die dann als QR-Codes im Schulgebäude verteilt lesbar wurden.

Die 9er machten eine Wanderung durch Bielefeld und erhielten eine fachkundige Führung zu ehemals jüdischen Gebäuden in Bielefeld durch unsere ehemalige Lehrerin Dorothee Günther und ihren Mann Uwe Günther. Aus Recherche und der Zusammenstellung von Informationen zu diesen ehemals jüdischen Gebäuden und  deren Bewohnerinnen und Bewohner bzw. Besitzerinnen und Besitzer wurde eine Ausstellung der Ergebnisse auf Stellwänden im Foyer.

Der Jahrgang der Q1 war vielfältig aktiv: Einige führten Interviews mit einer jüdischen Studentengruppe zu Leben und Umgang mit Antisemitismus durch, andere besuchten das Stadtarchiv und sichteten alte Schülerakten, erstellten Steckbriefe, wiederum andere forschten zu anderen ehemaligen jüdischen Schülerinnen und Schülern des HGs, erforschten jiddische Musik bzw. beleuchteten die generelle Situation der jüdischen Bevölkerung zur Zeit des Nationalsozialismus‘.

Final stellten alle ihre Ergebnisse  im Schulgebäude aus und die Schulgemeinde hatte schließlich am Donnerstagnachmittag die Möglichkeit, sich bis 16 Uhr die ausgestellten Produkte in der Schule anzuschauen.

Es startete mit einer Anfrage, es endetet mit bewegten und auch von dem Format begeisterten Schülerinnen und Schülern, die einmal mehr erlebten, wie wichtig das Handeln gegen das Vergessen ist.

Karen Wiegelmann